Reise in die Neumark

Im Februar 2022 wurde ein langgehegter Wunsch von mir endlich wahr: eine Reise in die Neumark, die Heimat meiner Vorfahren. Seit über 20 Jahren hegte ich den Wunsch, diese historische Region zu besuchen, die eine so tiefe Verbindung zu meiner Familiengeschichte hat. Die Neumark, heute größtenteils in Polen gelegen, war einst Heimat vieler Generationen meiner Familie, und diese Reise sollte mir endlich die Möglichkeit geben, ihre Spuren vor Ort nachzuvollziehen.

Unser erstes Ziel war das Staatsarchiv in Gorzów Wielkopolski (ehemals Landsberg an der Warthe). Dort hatten wir die Möglichkeit, die Geschichte meiner Familie in Form von Grundbuchunterlagen nachzuvollziehen. Es war ein unglaublich intensives Erlebnis, über 1000 Seiten an Dokumenten abzufotografieren, die Namen wie Stammfuß, Kraft und Gohlke enthielten. Diese Dokumente sind ein wertvoller Schatz, der nicht nur rechtliche Informationen, sondern auch Geschichten über das Leben und Wirken meiner Vorfahren in dieser Region erzählt.

Nach diesem eindrucksvollen Besuch im Archiv führte uns die Reise weiter nach Pollychen (heute Polichno). Dort spazierten wir durch das Dorf, um einen Eindruck zu gewinnen, wie das Leben hier wohl gewesen sein könnte. Es fiel uns auf, dass das Dorf sehr nah am Fluss liegt. Die Vielzahl an neueren Häusern ließ vermuten, dass es hier in der Vergangenheit wahrscheinlich öfter zu Überschwemmungen gekommen ist. Diese Beobachtung machte uns bewusst, wie sich das Leben in Pollychen im Laufe der Jahre verändert haben muss, möglicherweise bedingt durch die Launen der Natur.

Ein weiteres bedeutungsvolles Ziel unserer Reise war die Stelle nördlich von Pollychen, an der die Netze in die Warthe fließt. An diesem Ort wurde uns klar, dass hier sicherlich auch mein Vorfahre, der Schiffseigentümer Christian Friedrich Stammfuß (*1798 +1867), mit seinem Oderkahn „Louisenaue IV“ vorbeikam. Es war beeindruckend, an dieser historischen Wasserstraße zu stehen und sich vorzustellen, wie mein Vorfahre vor über 200 Jahren diesen Fluss entlangfuhr, seine Waren transportierte und die Region prägte. Diese Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart war tief berührend und machte die Reise noch bedeutsamer.

Von Pollychen aus setzten wir unsere Reise nach Louisenaue fort, bevor wir schließlich in Kietz-Driesen ankamen, einem besonders bedeutungsvollen Ort für mich. Hier steht das Haus, das mein Vorfahre Christian Friedrich Stammfuß (*1773 +1854) im Jahr 1801 erwarb. Damals war Kietz noch ein eigenständiger Ort außerhalb von Driesen; heute ist es lediglich eine Straße, die sich in den größeren Ort eingliedert. Es war sehr ergreifend, an diesem Ort zu stehen, der so eng mit der Geschichte meiner Familie verknüpft ist. Das Haus, das vor über zwei Jahrhunderten erworben wurde, ist ein stiller Zeuge der Vergangenheit und verband mich auf eine besondere Weise mit den Geschichten meiner Vorfahren.

Die gesamte Reise war eine emotionale und zugleich aufschlussreiche Erfahrung. Die Namen meiner Vorfahren – Stammfuß, Kootz, Temlitz, Führus, Kruschel, Gohlke, Kraft, Uekkert, Langisch, Sommerfeld und Sommerfeldt – klingen nun nicht mehr nur wie ferne Erinnerungen, sondern sind durch die Orte, die wir besucht haben, lebendig geworden. Es war eine Reise durch Raum und Zeit, die mir die Bedeutung meiner Wurzeln vor Augen führte und die Geschichten meiner Familie lebendig werden ließ.